"... überzeugt von der Notwendigkeit, den einzelnen Taubstummen vor geistiger Armut und gesellschaftlicher Vereinsamung zu bewahren, ihm in einer größeren Gemeinschaft Anregung zur Tatkraft und inneren Freudigkeit zu gebe, ihn weiter zu bilden. … Da seine Tätigkeit bei weitem mehr auf dem Gebiet der körperlichen Kraft als der ausschließlich geistigen Arbeit liegt, so gilt es auch, seine körperliche Kraft und Anlage zur größtmöglichen Leistungsfähigkeit herauszubilden und zu steigern, damit sie im Kampf um das persönlich Dasein auch ausreiche und nicht versage."

A. Gutzmann, 1888


In einer Welt, deren Kultur auf der Lautsprache gründet, bilden Gehörlose und Menschen mit Hörbehinderung eine Gemeinschaft mit eigenem Selbstverständnis und mit einem unabhängigen kulturellen und sprachlichen Hintergrund.

Der Sport hat in dieser Gemeinschaft schon früh eine Rolle gespielt. Lange Zeit ausschließlich im Ehrenamt und mit geringfügiger finanzieller Unterstützung durch Dritte, ist es einer vergleichsweise kleinen Minderheit in der Welt der Hörenden gelungen, innerhalb kurzer Zeit ein strukturiertes Sportwesen aufzubauen, das eine solide Grundlage für eine fortschreitende Entwicklung bildete.


Es bleibt erstaunlich, mit welcher Zielstrebigkeit sowohl innerhalb Deutschlands als auch auf internationaler Ebene, ein organisiertes Sportwesen vorangetrieben und der Behindertensport initiiert wurde, als in der ganzen Welt an Behindertensport noch gar nicht gedacht wurde. Die heutige Professionalität und die Leistungen im Gehörlosen Spitzensport sind das Ergebnis von einem Jahrhundert konsequenter Integrationsarbeit.


In Deutschland wird der Gehörlosensport in den 60er Jahren offiziell als unabhängiger Sportbetrieb in die Sportförderung der deutschen Regierung aufgenommen. Wichtigste Grundlage im Gehörlosensport ist die Anerkennung seiner Eigenständigkeit, denn er ist trotz der Kommunikationsbehinderung und der geringen Anzahl Gehörloser tatsächlich aus dem persönlichen Engagement der Betroffenen und einer Grenzen überschreitende Gemeinschaftsleistung entstanden, die Gehörlosensportbewegung ist eine aus sich selbst heraus entstandene und gewachsene Bewegung.


Mit der verstärkten Teilhabe am internationalen Spitzensportgeschehen der Deutschen stieg die Herausforderung für den Verband, den spezifischen Anforderungen des Gehörlosensports und dem internationalen Leistungsniveau Rechnung zu tragen. Bezogen auf den internationalen Leistungssport ergeben sich besondere Voraussetzungen und Anforderungen an Sportler und Sportlerinnen, da ihre Kommunikationsform auf visueller Vermittlung und optischer Wahrnehmung beruht und den Gebrauch von Händen und Augen erfordert. Zudem liefert das ‚immer wache' Gehör spezifische Informationen über die Nähe eines Gegners oder Mannschaftskollegen, die Beschaffenheit des Spielfeldes und den Aufprall und die Qualität eines Schusses oder Wurfs. Der Gehörlose kann auf diese Informationen nicht zurückgreifen, er muss sich die Umgebung "erfühlen", um seine Orientierungssicherheit zu behalten.


Tatsache ist, dass sich im internationalen Spitzensport der Hörenden kaum Gehörlose oder Hörbehinderte finden, die mit dem dort herrschenden Leistungsniveau mithalten können. Um im Wettkampf dennoch gleiche Voraussetzungen zu schaffen, haben sich die Nationalverbände unter ihrem europäischen Verband EDSO und dem Weltverband ICSD zusammengeschlossen. Hier gibt es für sportbegeisterte hörbehinderte Menschen die einmalige Gelegenheit, sich auf internationaler Ebene zu messen, bei Europa und Weltmeisterschaften große Erfolge zu feiern und ihr Land zu vertreten.

Das Sportwesen im Gehörlosensport dient jedoch nicht nur der körperlichen Ertüchtigung:

... Auch sollen fröhliche Geselligkeit und geistige Anregung und Unterhaltung sowie gegenseitige kameradschaftliche Unterstützung und Beratung in wirtschaftlichen und sozialen Frage ihre Pflege finden ...

A. Gutzmann, 1888


Für Gehörlose hat die Gemeinschaft, ob im Verein und Verband oder bei Wettkämpfen und deren Organisation, insofern eine besondere Bedeutung, da sie als eine vergleichsweise kleine Minderheit mit besonderen Anforderungen an die Kommunikation hier den Rahmen finden, einem gemeinsamen Interesse zu folgen und gleichzeitig soziale Kontakte herzustellen und zu pflegen. Die Entwicklung von 100 Jahren Sportgeschichte zeigt, dass Sport als eine ausgesprochen kommunikative Form der körperlichen Beschäftigung ein Lebensbedürfnis der Gehörlosen ist, die in ihrem Verband Chancengleichheit und Ziele für ihren Leistungswillen finden.


Bezogen auf die Jugend hat der Verband den Auftrag, gehörlose und hörbehinderter Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu gesunden und lebensfrohen Menschen zu unterstützen, das Streben nach persönlicher und absoluter Leistung im Sport zu fördern und die Weiterentwicklung der Jugendarbeit im Bereich Sport im Hinblick auf die Entfaltung und Selbstverwirklichung junger Gehörloser und Menschen mit Hörbehinderung voranzutreiben.